Aufstockung kann Neuvermögen begründen©
Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) bringt neue steuerliche Klarheit – aber auch erhebliche praktische Auswirkungen für Immobilieneigentümer mit sich:
Im Erkenntnis vom 27. Mai 2025 (Ro 2024/15/0018) hat der VwGH entschieden, dass bauliche Erweiterungen eines Altgebäudes nach dem 31. März 2012 zur Entstehung von Neuvermögen führen können – auch dann, wenn das Gebäude insgesamt als Einheit bestehen bleibt.
Was gilt als Neuvermögen?
Nach dem Einkommensteuergesetz (§ 30 Abs 4 EStG) werden Grundstücke und Gebäude, die am 31. März 2012 nicht steuerverfangen waren, als Altvermögen pauschal besteuert (4,2% ImmoESt). Für Neuvermögen kommt hingegen die reguläre ImmoESt mit 30% auf den tatsächlichen Gewinn zur Anwendung.
Der VwGH stellt nun klar:
Wird auf einem Altgebäude nach dem 31.3.2012 etwa ein neues Stockwerk errichtet oder ein Anbau vorgenommen, so stellen diese neu geschaffenen Gebäudeteile Neuvermögen dar. Auch wenn das Gebäude baulich einheitlich bleibt, wird der Verkaufsgewinn anteilig auf Alt- und Neuvermögen aufgeteilt – nach dem Verhältnis der Marktwerte der jeweiligen Gebäudeteile (Sachwertmethode).
Was gilt als relevante Erweiterung?
- Zubauten (seitlich oder nach hinten),
- Aufstockungen (ein zusätzliches Stockwerk),
- nachträgliche Unterkellerungen oder Tiefgaragen,
- möglicherweise auch der Dachbodenausbau, wenn er die äußere Erscheinung verändert (z.?B. Gauben, Glasflächen).
Nicht relevant sind Maßnahmen innerhalb der bestehenden Außenmaße, wie:
- das Einziehen von Zwischenwänden oder
- rein kosmetische Adaptierungen.
Steuerliche Folgen bei Veräußerung
Bei einer späteren Veräußerung einer derart erweiterten Liegenschaft:
- wird der Verkaufserlös auf Alt- und Neuvermögen aufgeteilt,
- der Altteil bleibt pauschal begünstigt,
- der Neuteil muss mit den tatsächlichen Anschaffungs-/Herstellungskosten in die Gewinnermittlung einbezogen werden.
Unsere Anmerkung zur aktuellen Rechtsprechung
Wir sehen die Entscheidung des VwGH mit kritischer Zurückhaltung:
- Laut VwGH stellt die Aufstockung eines Gebäudes lediglich eine Sanierung dar und ist damit von der Herstellerbefreiung gemäß § 30 Abs 2 Z 2 EStG ausgeschlossen.
- Dies erscheint aus unserer Sicht nicht folgerichtig:
Wenn eine Aufstockung steuerlich als Herstellung gewertet wird (Neuvermögen!), müsste im Gegenzug auch die Herstellerbefreiung greifen, sofern das Objekt nicht in den letzten 10 Jahren zur Erzielung von Einkünften genutzt wurde. - Zudem gilt nach wie vor die Rechtsprechung, wonach durch eine Gebäudeerrichtung auf eigenem Grund kein neues Wirtschaftsgut entsteht (VwGH 18.10.2018, Ro 2016/15/0013, Rz 21).
Fazit:
Die aktuelle Judikaturlinie bringt für Steuerpflichtige erhöhte Rechtsunsicherheit, insbesondere bei baulichen Maßnahmen im Privatvermögen!
© Stingl Steuer- & Immobilienberatung